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Buchveröffentlichungen



Gustl Marlock (Hg.), Halko Weiss (Hg.), Lutz Grell-Kamutzki (Hg.), Dagmar Rellensmann (Hg.)
Handbuch Körperpsychotherapie (2. Aufl.) 2023.

"Manfred Thielen hat in der überarbeiteten Neuauflage des "Handbuch für Körperpsychotherapie" zwei Artikel veröffentlicht: " Körperpsychotherapie bei Depression" (S. 796-813) "Körperpsychotherapie bei Angst" (S. 814-835).

 

 
M.Thielen (2022):
Körperpsychotherapie und Entfremdung.
In: Körper Tanz Bewegung, 4/2022, S. 130-145.
 


Manfred Thielen, Werner Eberwein (Hg.):
Fühlen und Erleben in der Humanistischen Psychotherapie.
Psychosozial-Verlag.
Taschenbuch: 200 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3837929213
ISBN-13: 978-3837929218
Größe und/oder Gewicht: 14,8 x 2,2 x 20,8 cm
Preis Euro (D): 29,90

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Ulfried Geuter
Praxis Körperpsychotherapie.

10 Prinzipien der Arbeit im therapeutischen Prozess.
Berlin 2019, Springer.
Taschenbuch, 508 Seiten, Broschur,
17 x 2,7 x 24,4 cm
Auflage: 1. Aufl. 2019
ISBN-10: 3662565951
ISBN-13: 978-3662565957
Preis Euro (D): 44,99

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Manfred Thielen, Angela von Arnim, Anna Willach-Holzapfel (Hg.):
Lebenszyklen-Körperrhythmen. Körperpsychotherapie über die Lebensspanne.
Gießen 2018, Psychosozial-Verlag.
Taschenbuch: 385 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3837927822
ISBN-13: 978-3837927825
Größe: 14,9 x 3 x 21,1 cm
Preis Euro (D): 39,90

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Thomas Harms & Manfred Thielen (Hg.)
Körperpsychotherapie und Sexualität
Grundlagen, Perspektiven und Praxis

Verlag: Psychosozial-Verlag
Buchreihe: Therapie & Beratung
325 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
Erschienen im Juni 2017
ISBN-13: 978-3-8379-2680-4
Preis Euro (D): 34,90

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Ulfried Geuter
Körperpsychotherapie.
Grundriss einer Theorie für die Klinische Praxis

Verlag: Springer
380 Seiten
Erschienen im März 2015
ISBN-10: 3642040136
ISBN-13: 978-3642040139
Preis Euro (D): 49,99

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Werner Eberwein, Manfred Thielen (Hg.)
Humanistische Psychotherapie: Theorien, Methoden, Wirksamkeit.
Gießen 2014, Psychosozial-Verlag.
Taschenbuch: 337 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 9783837923513
ISBN-13: 978-3837923513
ASIN: 3837923517
Gößee und/oder Gewicht: 14,6 x 3 x 21,1 cm
Preis Euro (D): 39,90

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Manfred Thielen (Hg.)
Körper-Gruppe-Gesellschaft
Neue Entwicklungen in der Körperpsychotherapie

ca. 440 Seiten
Broschur Preis Euro (D): 39,90
ISBN 978-3-8379-2236-3
Buchreihe: Therapie & Beratung
Erscheint im April 2013

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Manfred Thielen (Hg.)
Körper-Gefühl-Denken
Körperpsychotherapie und Selbstregulation,
erschienen im Psychosozialverlag, Gießen,
2. korrigierte Auflage 2010.

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Manfred Thielen(Hg.):
Narzissmus: Körperpsychotherapie zwischen Energie und Beziehung
Taschenbuch: 236 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3934391133
ISBN-13: 978-3934391130
Verpackungsabmessungen: 20,6 x 14,4 x 1,7 cm

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Körperpsychotherapie zwischen Lust- und Realitätsbegriff.
Verein für Integrative Biodynamik (Hrsg.:)
Oldenburg 1994, Transform Verlag (vergriffen).

   

Trauma, Krise, Chance, Neubeginn:
Körperpsychotherapie bei narzisstischen Selbstwertkrisen
von Manfred Thielen

Narzisstische Menschen glauben, sie seien die „Allergrößten“, den Anderen überlegen, großartig und unerreichbar u.a., dieses Bild wird in der populärwissenschaftlichen Literatur gezeichnet (s. Psychologie heute, Juli 2004, S. 30 ff). In der klinischen psychotherapeutischen Praxis sind diese „Narzissten“ in ihrer Reinform allerdings selten anzutreffen, da sie höchstwahrscheinlich keinen Leidensdruck verspüren und deshalb keine Veranlassung sehen, einen Psychotherapeuten/in aufzusuchen. In der Praxis erleben wir eher narzisstische Menschen, die in sich in Teilbereichen als grandios erleben, aber vor allem durch starke Selbstwertschwankungen geprägt sind. Sie schwanken in ihrer Selbsteinschätzung zwischen Selbstüberschätzung und Selbstabwertung. In der klinischen Fachliteratur, z.B. in „Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen DSM-IV-R „ wird als Hauptmerkmal der narzisstischen Persönlichkeitsstörung ein durchgängiges Muster von Großartigkeit in Phantasie oder Verhalten, von Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere und von Mangel an Einfühlungsvermögen (Saß et al., 2003, 781). Vielfältige Forschungsergebnisse untermauern diese phänomenlogische Beschreibung und benennen weitere spezifische Merkmale wie Selbstwertschwankungen, Affekt-Labilität, Suche nach Anerkennung und Bestätigung, Dominanzverhalten u.a. (Sachse, 2002, 156 ff.).
Narzisstische Menschen schwanken in der Regel zwischen Gefühlen von Grandiosität und Minderwertigkeit, fühlen sich leer, dumpf, depressiv und sind leicht kränkbar. Sowohl in der Beziehung zu sich selbst als auch zu anderen unterliegen sie dem Mechanismus der Idealisierung und der Abwertung, als zwei Seiten ihres instabilen Selbstwertgefühls. Sie leiden unter ihrer Gefühlsabtrennung und sind zu tiefen, befriedigenden Beziehungen nur schwer oder nicht in der Lage. Der Psychoanalytiker und Selbstpsychologe Kohut (1992,S. 41) hebt hervor, das sie im Größen-Selbst leben und keinen bzw. wenig Kontakt zu ihrem Selbst haben. Kernberg (1993,s. 261 ff.) betont ihre emotionale Flachheit und Oberflächlichkeit, ihren starken Neid und ihr großes Aggressionspotenzial. Sie hätten die Tendenz zur Entwertung und zur Zerstörung innerer Objektimagines und äußerer Objekte.
Der Begründer der Bioenergetik Lowen (1986, S. 18) hebt als Hauptmerkmal der narzisstischen Störung die Gefühlsverleugnung heraus. Ihr liegen tiefe schizoide Spaltungsprozesse zugrunde.
Auch Miller (1994, S. 66 ff.) betont in ihrem „Das Drama des begabten Kindes“ die „verlorene Welt der Gefühle“ als kennzeichnend für die narzisstische Problematik.
Im Mythos ist Narcissus ein Jüngling von begehrenswerter Schönheit, der die Liebe der Nymphe Echo verschmäht. Er sieht sein Spiegelbild im Wasser und verliebt sich in sein Abbild. Er ist so auf sein Abbild fixiert, dass er die Quelle nicht verlassen kann und vor Schwäche zugrunde geht. Sein Leib verwandelt sich in eine Narzisse. In der Fassung des Mythos von Ovid gibt es bereits einen für Psychotherapeuten sehr wesentlichen Hinweis für die Heilung von Narzissten. Der Seher Teiresias wird befragt, ob Naricssus ein langes Leben haben werde. Er antwortet::“ Ja, wenn er sich nie erkennen wird.“ (Jacoby, 1985, S. 18). Im Mythos erscheint der Tod als Bestrafung für Narcissus´ Unfähigkeit, seine Liebe dem Anderen, Echo, zu geben. Die Prophezeiung des Teiresias kann jedoch im Sinne von sich selbst erkennen verstanden werden. Erst mit dem Sich- selbst -Erkennen ist Wandlung, Transformation der krankhaften Persönlichkeit und das Sterben der narzisstischen Anteile möglich. (ebda., S. 20)
Narzisstische Menschen leben primär für ihr Image, sie sind süchtig nach Anerkennung, Beachtung und Bewunderung. Sie leiden an ihrer Entleerung des Ichs und sind am äußeren Schein orientiert.
Die narzisstische Imageorientierung wird gesellschaftlich gefördert und auch produziert. In der postmodernen Gesellschaft ist der Erfolg, der äußere Schein, das Image wichtiger als innere Werte wie Authentizität, Zufriedenheit, Stimmigkeit, Macht-, Status- und Konsumsymbole haben einen höheren Stellenwert als ein reiches psychisches Leben und befriedigende zwischenmenschliche Beziehungen. Eine primär auf Profit orientierte Ökonomie prägt auch die interaktiven Kommunikationsformen, die pragmatische Kosten-Nutzen-Kalkulation steht im Vordergrund. Der Andere wird zum Instrument meiner Bedürfnisse und Interessen, insofern fördert die postmoderne, spätkapitalistische Gesellschaft die Herausbildung narzisstischer Lebensstile. (s. auch Lasch, 1982)

 

Frühkindliche Genese auf dem Hintergrund von Entwicklungspsychologie und Säuglingsforschung
Die genaue Bestimmung einer frühkindlichen Entwicklungsphase wird unter Narzissmusforschern kontrovers diskutiert. Für den an der Gesprächspsychotherapie orientierten Sachse (2002, 149) beginnt die narzisstische Entwicklung erst im frühen Erwachsenenalter. Doch die unterschiedlichen Richtungen der psychoanalytischen Theorie wie Selbst-Psychologie (Kohut, Tolpin, Wolf u.a.), Objektbeziehungstheorie (Kernberg, Jacobson, Mahler, Materson, Winnicott u.a.) und der Ich-Psychologie (A. Freud, Hartmann, Blanck& Blanck u.a.) stimmen darin überein, den Beginn der narzisstischen Entwicklung in der frühen Kindheit zu sehen. Johnson(1988), der die narzisstische Entwicklung umfassend aus integrativ humanistischer, tiefenpsychologischer und körperpsychotherapeutischer Sicht beschreibt, bezieht sich auf Mahlers Entwicklungsmodell der kindlichen Entwicklung, die sie als Phasen des normalen Autismus, der Symbiose und der Individuation beschreibt (Mahler/ Pine/ Bergman, 1992). Er hebt die Phase der Wiederannäherung an die Realität (15.-24.Monat) hervor.
Die Wiederannäherung ist in der Mahlerschen Entwicklungspsychologie eine Subphase des Loslösungs- und Individuationsprozesses von der Mutter. In dieser Phase geht es um die Getrenntheit des Kindes von der Mutter und Gefühle wie Verletzlichkeit und Begrenztheit. Idealisierung des anderen mit der fortbestehenden Illusion des Einssein mit diesem sind spontan auftretende Abwehrhaltungen des Kleinkindes gegen Gefühle von Verletzlichkeit, Ohnmacht und Abhängigkeit. In einer gelungenen Entwicklung werden Grandiosität und Idealisierung durch Anpassung an die Realität neutralisiert. Wenn aber von den Eltern diese Wieder- annäherungsphase, die mit adäquaten Frustrationen des Kindes verbunden ist, selbst narzisstisch besetzt wird, das Kind etwas Besonderes sein soll und idealisiert wird, dann werden Grandiositäts- und Grenzenlosigkeitsgefühle des Kleinkindes verstärkt. Und es kommt zu narzisstischen Störungen. Die primären Bezugspersonen, in der Regel die Eltern, vermitteln dem Kind Botschaften und Kernüberzeugungen wie:“ Sei nicht, wer du bist, sei der, den ich brauche. Der du bist, enttäuscht mir, bedroht mich, ärgert mich, überreizt mich. Sei, was ich will und ich werde dich lieben!“ (ebda. S. 54) Anstatt der notwendigen Empathie, Fürsorge, Betreuung und Orientierung, erlebt das Kleinkind Demütigungen und Abwertungen, wenn es sich nicht so verhält, wie es sein soll. Das so narzisstisch gekränkte Kind passt sich aus Angst, das geliebte Objekt zu verlieren, den elterlichen Anforderungen an und entwickelt ein kompensiertes, von Außen bestimmtes, „falsches“ Selbst..
Auf Grund der mangelnden Einfühlung und der mangelnden Grenzen funktioniert die Wiederannäherung des Kindes an die Realität nicht adäquat. Es verbleibt in seinem Größen-Selbst, erkennt seine Grenzen nicht ausreichend und zieht seine libidinöse Energie von den Objekten wieder ab und wendet sie dem eigenen Selbst zu.
Das Kind kann mit seinen echten Gefühlen bei seinen Bezugspersonen nicht „landen“, bekommt keine interaktive, spiegelnde Resonanz. Diese frühe Enttäuschung ist häufig bereits die Wurzel von Depressionen und der späteren narzisstischen Selbstwertschwankungen.
Dem depressiven Verhalten liegen in der Regel verdrängte bis abgespaltene Wutgefühle zugrunde. Dieser Zusammenhang wird sowohl in der selbstpsychologischen, psychoanalytischen Analyse der Genese des Narzissmus als auch von Johnson vernachlässigt, doch in der klinischen Erfahrung in der Regel bestätigt. Das Kind reagiert ursprünglich auf die mangelnde Empathie der Eltern mit Wut. Wenn es die Erfahrung macht, dass es auf seine Wut aversiv und abwehrend reagiert wird, wird es sie sublimieren bzw. verdrängen. Häufig droht sogar Liebes- und Objektverlust. Diese Wut wird dann sukzessiv gegen das eigene Selbst gerichtet und führt zu der negativen Überzeugung, falsch und nicht liebenswert zu sein. Das Kind resigniert und wird depressiv.

Die Entwicklungspsychologie von Mahler hat wichtige Erklärungen der Narzissmusproblematik erarbeitet, doch können sie im Zeitalter der Säuglingsforschung nicht mehr ungebrochen geteilt werden. Sie basiert noch auf der Triebtheorie Freuds. Sowohl Triebtheorie als auch Mahlers Phasenmodell werden insbesondere von Stern, einem Pionier der Säuglingsforschung, in Frage gestellt und zum Teil empirisch widerlegt.
Nach Stern (1992) und vielen anderen Säuglingsforschern (s. Dornes, 1993) gibt es nicht den passiven, undifferenzierten Säugling, der mit einem Reizschutz versehen ist, im Lustprinzip lebt und von seinen Es-Trieben gesteuert wird, wie noch Freud annahm. Stern betrachtet die Triebtheorie eher als hinderlich für eine Motivationstheorie, insbesondere relativiert er die von Freud aber auch von Reich (1989) betonte Rolle der Es-Triebe. Stern nennt stattdessen eine Reihe von Motivationen wie Explorationsverhalten, Suchen nach dem kognitiv Neuen, die Lust an der Bemeisterung und Bindungsstreben. Doch bevor diese Fragestellung genauer behandelt wird, werden zunächst einige zentrale Ergebnisse der Säuglingsforschung zusammengefasst.

In der von Stern beschriebenen Interaktion ist der Säugling von Beginn an Subjekt. Bereits im Alter von 2 Monaten (bis 6 Monate) entwickelt er ein Kern-Selbst, ein erlebnishaftes Selbstempfinden. Es umfasst die körperliche Gegenwart, das Handeln, den Affekt und die Kontinuität. Der Säugling erlebt, dass er von der Mutter körperlich getrennt ist, dass jeder sein affektives Erleben und seine ihm eigene Geschichte hat. Aus körperpsychotherapeutischer Sicht ist dabei wesentlich, dass das Kern-Selbst im Körper verankert ist.
Wie entwickeln sich nun in der präverbalen Phase psychische Repräsentationen beim Säugling, mit denen Erfahrungen gespeichert werden? Stern bezeichnet sie als „generalisierte Interaktionsrepräsentationen“ (Representations of Interactions that have been Generalized, RIGs). (Stern, 1992, S. 143) Sie enthalten vielfältige spezifische Erinnerungen, z.B. den Akt des Stillvorgangs, in dem der Säugling abspeichert, dass und wie die Mutter ihre Bluse öffnet, wie sie ihn an die Brust legt, den affektiven Zustand der Mutter, das eigene Empfinden usw. Der Säugling repräsentiert psychisch generalisierte Interaktionen z.B. in dem er den Ablauf des Geschehens in Segmente unterteilt und die Invarianten speichert. Dabei spielen die körperlichen Erfahrungen und die nonverbalen Signale eine ganz entscheidende Bedeutung. Die Körpersprache, der Gesichtsausdrucks u.a. der Mutter hat für den Säugling emotionalen Signalcharakter (s. Dornes, 1993, S. 152 ff.) .
„RIGs resultieren aus dem unmittelbaren Eindruck mannigfaltiger, realer Erfahrungen, und sie integrieren die unterschiedlichen Handlungs-, Wahrnehmungs- und Affekt-Attribute des Kern-Selbst zu einem Ganzen.“ (Stern, 1992, S. 143-144)“...das Selbst, das handelt, das Selbst , das fühlt, und das Selbst, das den eigenen Körper und dessen Handlungen auf seine ihm eigene Weise wahrnimmt – sie alle werden zusammengeführt.“ (ebda, 144) Die körperliche Interaktion ist ein wesentliches Element des Interaktionsprozesses, z.B. wie die Mutter das Kind berührt, hält, wiegt und bewegt.
In der Kommunikation zwischen Säugling und Mutter/Bezugspersonen ist die „Musik der Worte“, die Art und Weise, wie sich Mutter und Säugling zueinander verhalten entscheidend. Babys haben von Anfang an– noch ohne Sprache - ein Bewusstsein, genau wie ihr Gegenüber nach dem Motto: „Ich weiß, dass du wahrnimmst, dass ich etwas weiß. In diesen Interaktionen zwischen dem Säugling und den primären Bezugspersonen findet eine Affekt-Abstimmung (affect-attunement) statt. Die Eltern reagieren auf die Gefühlsäußerungen des Säuglings, in dem sie sie imitieren oder in eine andere Modalität transformieren. Die Metapher des Tanzes passt gut für diese Interaktion. Ein Beispiel für eine gelungene Affekt-Abstimmung: „ Ein neun Monate altes Kind schlägt mit der Hand auf ein Spielzeug, zunächst ein bisschen ärgerlich, dann mit wachsendem Vergnügen und in einem bestimmten Rhythmus. Die Mutter kommentiert das mit freudigem Gesicht und mit einem „KAA-BAAM“, wobei das langgezogene KAA zum Heben des Arms, das BAM zum Fallen passt.“ ... (Dornes, 1993, S. 154) Die nonverbalen und körperlichen Signale und Botschaften und wie sie von der Mutter aufgegriffen werden, haben eine entscheidende Relevanz. Das Kind schlägt einen Rhythmus, die Mutter antwortet mit einem freudigen Gesicht (Mimik) und mit einem stimmlichen Ausdruck (KAA -BAMM) im vorgegebenen Rhythmus des Kindes. Dies ist ein gutes Beispiel für empathische Feinabstimmung Abstimmung“ (selective attunement), sie beinhaltet Nachahmung und Anregung zugleich und fördert Interesse und Neugier des Säuglings. Wenn die Bezugspersonen hingegen das Kind manipulieren, findet eine Fehlabstimmung (miss-attunement) statt.
Der Körperpsychotherapeut Downing (1996) hat die These von angeborenen „affekt –motorischen Schemata“ entwickelt, die m.E. als subjektive Voraussetzung des Säuglings in die RIGs eingehen. Sie sind angeboren und entfalten sich erst durch die konkrete Interaktion mit den primären Bezugspersonen. Affekt-motorische Schemata sind zunächst vorgegebene Bewegungsmuster, die der Säugling in die Interaktion mit den Eltern einbringt. Dabei steht der körperliche Charakter dieser Schemata im Vordergrund, es sind zunächst motorische Bewegungen des Säuglings, z.B. Ausgreifen der Arme, die affektiv getönt werden. Wird dieses Ausgreifen seiner Ärmchen von der Mutter oder dem Vater nicht beantwortet, z.B. indem der eigene Arm oder das Gesicht zurückgezogen wird, dann greift der Säugling ins Leere. Wiederholt sich dies vielfach, wird er seine Arme zurückziehen.
Diese physischen Interaktionen zwischen Kind und Eltern hinterlassen Spuren, die im Körpergedächtnis gespeichert werden. Downing unterscheidet zwischen affekt-motorischen Verbindungs- und Differenzierungsschemata. In den ersteren spiegeln sich Bindungs- und in den zweiten Autonomiebedürfnisse wider. Downing hat die affekt-motorischen Schemata zu seiner Konzeption von Körper-Mikropraktiken (Downing, 2003) weiterentwickelt. Diese sind für Downing verkörperte Fähigkeiten, dabei denkt er an Aktivitäten wie Tennisspielen oder einen Nagel mit einem Hammer einschlagen. Die Körper-Mikropraktiken beinhalten körperliche, affektive und kognitive Komponenten. Im Unterschied zum einfachen Reflex, der eine Reiz- Reaktion- Antwort darstellt, sind die Körper-Mikropraktiken variabler und zielorientierter.

Die Erkenntnisse der Säuglingsforschung haben weitreichende Konsequenzen für die Narzissmustheorie. Das Phasenmodell von Mahler, das von einem normalen Autismus und einer Symbiose ausgeht, ist problematisch. Nach Stern können diese Phasen empirisch nicht beobachtet werden. Von Anfang an ist der Säugling auf den anderen bezogen und kann bereits im Alter zwischen dem 2. und 7. Monat zwischen sich und dem anderen differenzieren. Es gibt keine Phase, wo er die Grenzen zwischen sich und der Mutter verliert und symbiotisch mit ihr verschmolzen wäre. Downing (1996, S. 169 ff.) nimmt zu der Auseinandersetzung von Stern mit Mahler klärend Stellung, er betrachtet Mahlers Objektbeziehungsperspektive und Sterns Forschung als miteinander vereinbar. An Mahlers Entwicklungstheorie verteidigt er die fortschreitende Differenzierung von Selbst und Objekt in der Kleinkindzeit, ohne ihre Begriffe wie Autismus und Symbiose zu übernehmen.
Nach Stern gibt es keine spezifische Phase für die narzisstische Entwicklung. Grandiosität beim Kind kann für ihn durch eine Fehlabstimmung (miss-attunement) zwischen Mutter bzw. primären Bezugspersonen und dem Kind entstehen, wenn z.B. die Mutter nur auf enthusiastische Äußerungen des Kindes reagiert und diese verstärkt, während sie exthusiastische- depressive- Äußerungen unterdrückt oder verleugnet. Oder, wenn die Mutter auf Grund mangelnder empathischer Feinabstimmung keine affektive Bezogenheit zu dem Kind herstellt, dann stellen sich beim Kind Gefühle kosmischer Einsamkeit und schizoider Einsamkeit ein. Die Gefühlsverleugnung, die z.B. für Lowen das Hauptmerkmal narzisstischer Störung darstellt, kann bereits im Altern von 2-9 Monaten erfolgen, da der Säugling bereits in diesem Alter regelmäßig innere Gefühlsqualitäten (Affekte) erlebt.
Die narzisstische Entwicklung ist also nach der Theorie der Säuglingsforschung Ausdruck einer empathischen Fehlabstimmung (miss-attunement), die Vitalitätsaffekte, z.B. die erwähnte Wut werden von den Bezugspersonen nicht spiegelnd und entwicklungsfördernd beantwortet. Dieser Prozess vollzieht sich in wesentlichen Teilen auch auf der non-verbalen und körperlichen Ebene. Es erfolgt keine elterliche Rückenstärkung für aversive Gefühle wie Wut, Ärger oder auch
Traurigkeit, sondern vielleicht nur für sogenannte positive Gefühle wie Freude, Wohlbefinden, Lächeln etc. Narzisstische Fehlentwicklungen sind weniger Folge traumatischer Erfahrungen als von Mikrotraumen, die durch Zurückweisungen oder unangemessene Reaktionen auf Resonanz- und Bindungsbedürfnisse entstehen. .„Unsichere Bindung ist das Ergebnis chronischer, aber häufig ganz undramatischer Zurückweisung oder inkonsistenter Beantwortung von Bindungs- bedürfnissen und ist nicht in erster Linie auf grobe Traumatisierungen zurückzuführen. Es steht nicht mehr, wie z.B. noch beim frühen Spitz und bei Bowlby, der Verlust des Objektes im Vordergrund, sondern dessen relative Unverfügbarkeit trotz Anwesendheit.“ (Dornes, 2000, S.84)
Aus entwicklungspsychologischer Perspektive spielt die Herausbildung von Schamgefühlen, eine weitere wichtige Rolle bei der Genese des Narzissmus. Erwachsene Narzissten schämen sich in der Regel ihrer Gefühle, besonders ihrer Trauer und ihrer Bedürftigkeit. Kinder, die mit ihrem Spiegelbild etwa ab dem 15. Monat konfrontiert werden, zeigen Vorläufer selbstreflexiver Schamreaktionen. Erst im Alter von 2 Jahren treten Schamreaktionen als Ausdruck eines entwickelten Selbst auf (Hilgers,1997, 194 ff.). Die Herausbildung der Scham hat in einer gesunden kindlichen Entwicklung eine entwicklungs- und identitätsfördernde Funktion, doch in der narzisstischen Sozialisation wird sie zu einem entscheidenden Hindernis für den Gefühlsausdruck.

 

Kritische Anmerkungen zur Säuglingsforschung
Aus körperpsychotherapeutischer Sicht können auch kritische Anmerkungen gegenüber einigen Prämissen der Säuglingsforschung gemacht werden, da bei ihr die Tendenz vorherrscht, die psychische Entwicklung des Kindes primär aus der Interaktion mit den nahen Bezugspersonen abzuleiten. Demnach wird sie entscheidend von Außen, in der Regel den Eltern, determiniert. Der Tatsache, dass das Kind auch ein Naturwesen ist und energetischen Pulsationsbewegungen folgt, wird allenfalls am Rande beachtet. Sein Körper wird zwar immer wieder erwähnt aber nicht in seiner Tiefe begriffen. Diesbezüglich sind die Reichianischen Erkenntnisse z.B. über Lust/Unlust, Selbstregulation, das energetische Prinzip, seine Erkenntnis vom Muskelpanzer und das Konzept G. Boyesens (Boyesen, G., M.L., 1987, S. 99 ff. ) vom Emotional-Vasomotorischen Zyklus unverzichtbar. In diesem Zyklus vollziehen sich affektive Erregungszustände auf drei Schichten des Organismus:
a) der vegetativen (endodermalen) Schicht: autonome Prozesse wie Bluthochdruck-, Herzfrequenzveränderungen, Reaktionen der Verdauungsorgane, Stoffwechseländerungen, hormonelle Prozesse;
b) der willkürlich und unwillkürlichen Muskelaktionen (mesodermal): mimische und gestische Äußerungen, Haltungs- und Handlungsveränderungen;
c) der Schicht der Wahrnehmungsorgane, der neuronalen Strukturen, der Kognitionen und bewusst erlebten Emotionen (ektodermal): psychische und kognitive Prozesse.
Die Neurose verkörpert sich auch in muskulären Spannungen und vegetativen Störungen,
die sich bereits beim Säugling entwickeln können.
Die Arbeiten der körperorientierten Babytherapeuten (s. Harms, 2000) machen manifest, das sich bereits prä- peri- und postnatale Störungen in der Mutter -Kind -Beziehung psychisch ausdrücken (ebda, S. 189 ff.) Die Babytherapeuten haben bei ihren kleinen Patienten eine Reihe von somatisch-psychischen Symptomen wie: Blockierungen des Zwerchfells, der Schultermuskeln sowie des Gewebe- und Muskelbereichs u.a. des Augensegments
diagnostiziert. Diese Symptome verweisen deutlich auf die Verkörperung von Interaktionsstörungen und von Gefühlen. Bereits ein Fötus hat Affekte, er kann schon Angst erleben, wie Grof (1985), Janus (2000) u.a. nachgewiesen haben.
Der Säugling ist nicht nur ein soziales Wesen – „self –with- other“ (Stern) – sondern auch ein Naturwesen und eine bioenergetische Einheit. Es treten also auch zwei Organismen in Interaktion. Der Emotional -Vasomotorische Kreislauf vollzieht sich sowohl beim Säugling als auch bei seinen Bezugspersonen. Störungen in der Affektabstimmung führen zu Störungen im psychischen, muskulären und vegetativen Bereich. Kontraktion, Erschlaffung der Muskulatur (Hypo- oder Hypertonie), Veränderung des Atemrhythmus usw. Gefühle haben körperliche Korrelate, wie in der Emotionsforschung eindeutig belegt wird (s. Geuter, Schrauth, 2001, S. 4 ff.). Das Sternsche Modell von den RIGs kann aus körperpsychotherapeutischer Sicht auf die muskuläre und vegetative Ebene ausgeweitet werden. Das Modell vom Emotional-vasomotorischen Kreislauf sollte wiederum zu einem Interaktionsmodell weiter entwickelt werden, z.B.: der Säugling schreit, drückt Wut aus (psychisch), muskulär kommt es zu einer Kontraktion und Anspannung in den beteiligten Muskeln, der Muskeltonus steigt, vegetativ kommt es zu einer starken Innervation des Sympathikus. Eine empathische Feinabstimmung von Seiten der Bezugspersonen ist dann gelungen, wenn sie die Wut des Kindes akzeptieren, dies verbal und körperlich ausdrücken und dem Kind das Gefühl zu geben, dass es mit seiner emotionalen Äußerung angekommen ist. Durch das Ausdrücken ihrer Gefühle auf den verschiedenen Ebenen können sowohl das Kind als auch die Eltern entspannen. Beide Emotional-Vasomotorischen Kreisläufe wären dann geschlossen.
Die Ergebnisse der Säuglingsforschung und die Erfahrungen der körperorientierten Babytherapien müssten miteinander verbunden werden. Hierin liegt ein großes, erst ansatzweise genutztes Potenzial.

 

Körperpsychotherapie mit narzisstischen Klienten/Patienten
Ein Grundproblem in der therapeutischen Arbeit mit narzisstischen Persönlichkeitsproblemen besteht nach meiner Erfahrung darin, sein Gegenüber emotional wirklich zu erreichen. Auch die intensivsten körperpsychotherapeutischen Interventionen können verpuffen, wenn sie nicht durch den therapeutische Kontakt getragen sind .und die Klientin in ihrer Welt der Projektionen, Idealisierungen und Abwertungen verbleibt. Wenn sie mit ihren Schamgefühlen in Kontakt kommt, die Schutzschicht der emotionalen Isolation überwindet und auch Gefühle wie Einsamkeit, Trauer, Ohnmacht u.a. zulassen kann, ist schon ein merklicher Therapiefortschritt erreicht. Die Beziehungsarbeit ist tiefenpsychologisch fundiert und bezieht neben Übertragungs- und Gegenübertragungsgefühlen, auch die Ich-Du-Beziehung und die somatische und psychische Resonanz mit ein. Die Betonung der Beziehungsarbeit in der Körperpsychotherapie ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil sie sowohl von Reich in seiner Spätphase als auch von Lowen und z.T. auch von G. Boyesen vernachlässigt wurde (s. Thielen, 1994, S.10 ff.).
Ein weiterer psychotherapeutischer Schwerpunkt stellt die Arbeit mit der Aggression dar. Aggression im Sinne von „aggredi“ –(lat. hinzugehen,) und nicht im Sinne von Feindseligkeit. Das Dilemma des narzisstischen Menschen besteht darin, dass er sich nicht aus seiner narzisstischen Isolation heraus und zu den anderen Menschen hinbewegen kann, sondern im Rückzug bleibt. Deshalb ist es ein wesentliches Ziel, diese Hinbewegung zu befördern (Busch, 2002). Zudem hatten die frühkindlich erlebten Enttäuschungen Enttäuschungswut zur Folge, die aber von den Eltern emotional nicht angenommen sondern eher unterdrückt wurde. Die sich daraus gebildete Aggressionshemmung gilt es in der Arbeit angemessen zu lockern. Anhand einer Fallvignette möchte ich – zwangsläufig in groben Zügen – mein körperpsychotherapeutisches Vorgehen veranschaulichen.

Fallbeispiel
Bettina 2) war zu Beginn der Therapie Mitte 30 J. Ihr Freund hatte sie nach einer halbjährigen Beziehung verlassen. Sie suchte die Therapie wegen folgender Symptome auf: Depressionen, Selbstvorwürfe, Selbstwertschwankungen, Zwangsgrübeln, Schuldgefühle, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen hatte sie Suizidgedanken. Sie bekam anfangs auch begleitend ein Psychopharmakon.

Kurzbiografie
: Sie war das zweite Kind und hatte eine ältere Schwester. Die Eltern lebten auf Initiative der Mutter zeitweise getrennt, doch der Vater hielt massiv an der Beziehung fest. Er setzte die Mutter unter Druck und konnte schließlich ihre Rückkehr erzwingen. Das Verhältnis von Bettina zu ihrem Vater war seit ihrer frühen Kindheit sehr schwierig. Sie fühlte sich von ihm gedemütigt, missachtet und ungeliebt. Ihrer Einschätzung war ihr Vater selbstbezogen, egoistisch und z.T. auch sadistisch. Ihre Schwester und sie wurden rigiden Regeln des Verhaltens und des Aussehens unterworfen. Z.B. erlebte sie folgende Mikrotraumen: sie wurde in Kleider gesteckt, die ihr überhaupt nicht gefielen, gegen ihren Willen wurden ihr die Haare kurz geschnitten, sie wurde abgewertet und beschimpft. Ihr Verhältnis zu ihrer Mutter war hingegen positiv. Sie fühlte sich von ihr geliebt, unterstützt und bestätigt. Doch aus heutiger Sicht wurde sie von ihrer Mutter narzisstisch besetzt, idealisiert und im Machtkampf der Mutter gegen den Vater als ihre Bündnispartnerin instrumentalisiert. Sie erlebte in ihrer Kindheit folgende Dualität, Abwertung und Demütigung durch den Vater, positive Zuwendung und Idealisierung von der Mutter.
Bettinas Narzissmus bestand nicht darin zu glauben, dass sie leistungsmäßig überall die Beste sei, sondern sie wollte ihre Zweierbeziehungen nach ihren Idealvorstellungen formen. Sie war sehr selbstbezogen und alles sollte so laufen, wie sie es haben wollte. Sie hatte die Überzeugung, dass die Männer letztlich doch machen, was sie will. Wenn es nicht nach ihren Vorstellungen lief, konnte sie diesen Zustand nicht ertragen. Vor allem wollte sie die Trennung, die ihr Freund initiiert und ausgesprochen hatte, nicht akzeptieren. Sie entwickelte einen weiteren Glaubenssatz: “ Wenn ich nicht geliebt werde, nicht das bekomme, was ich will, dann bringe ich mich um.“ Ihre Selbstwertkrise hatte traumatische Ausmaße angenommen, auf deren zum Boden und Höhepunkt sie einen halbherzigen, mehr angedeuteten, Suizidversuch unternommen hatte.

In der körperpsychotherapeutischen Arbeit ging es auf der Basis der Kenntnis ihrer Biografie zunächst um den Aufbau einer tragfähigen, vertrauensvollen und produktiven Arbeitsbeziehung. Sie fasste relativ schnell Vertrauen und entwickelte zunächst eine positive Übertragungsbeziehung zu mir. Der Therapeut hatte die Rolle des guten Objektes, des guten, idealen Vaters.
Auf Grund ihrer starken Depressionen schlug ich ihr zu Beginn der Körperarbeit bioenergetische Erdungsübungen (Groundingübungen) (s. Lowen, 1980 ) vor. Sie redete zunächst relativ viel, wirkte sehr kognitiv kontrolliert und wenig zentriert und geerdet. In der Regel habe ich gute klinische Erfahrungen mit Groundingübungen bei Depressionen, da sie die starke Aggressionshemmung lockern und ersten körperlichen Zugang zu den unterdrückten bzw. verdrängten und abgespaltenen Aggressionen herstellen können. Sie machte diese Übungen auch und erlebte tatsächlich eine bessere Erdung, der Kontakt zu ihren Beinen und Füssen wurde besser. Doch mit ihren Aggressionen kam sie nicht in Kontakt, stattdessen fühlte sie sich in erster Linie angestrengt. Offensichtlich war ihre Abwehr gegen ihre tiefverdrängten Aggressionen noch zu stark. Im weiteren Verlauf nahm ich ihr Bedürfnis nach Entspannung und ihren Wunsch, ihren inneren Druck mehr loslassen zu wollen, auf und schlug ihr eine biodynamische Exit -Massage vor. Sie erlebte dabei den Zustand einer dynamischen Tiefenentspannung. Sie hatte nach der Massage das Gefühl, dass ihr Körper, der sich vorher schwer und träge angefühlt hatte, leichter und energievoller geworden war. Ich wandte die Massagen häufiger an mit dem Ergebnis, dass ihre Schlafstörungen und ihre depressive Schwere nachließen. Während der Massage tauchten auch zentrale Themen wie: ihr Selbstwertgefühl, ihr Verhältnis zu ihrem Vater, ihrem Ex-Freund, ihr Verhältnis zu ihrer Mutter u.a. auf. Die verschiedenen biodynamischen Massagen haben nicht nur ihr Widerstand bzw. ihr Abwehr „geschmolzen“, sondern gaben ihr auch eine Form von Halt (Containment) und Sicherheit. Sie bekam durch sie wieder ein Gefühl für ihre Körpergrenzen und erlebte körperliches Wohlbefinden. Die Massagen wirkten nachnährend, sie fühlte sich dabei vom „idealen Vater“ angenommen und liebevoll versorgt.
Im weiteren Verlauf kam sie immer mehr in Kontakt mit ihren verdrängten Gefühlen, auch mit ihren tiefverdrängten Aggressionen. Sie wurde wütend auf ihren Vater und bekam Racheimpulse. Um diese Wut auch körperlich mehr ausdrücken zu können, schlug ich ihr ein körperorientiertes Rollenspiel vor. Ich spielte die Vaterfigur, wir standen uns gegenüber und gaben uns die Hände. Sie bekam die Aufgabe, den Vater mit ihren Händen wegzudrücken. Nach anfänglichem Zögern entwickelte sie mehr Kraft, die sich zunehmend zur Wut steigerte und gegen ihren Vater richtete. Es war für sie sehr wichtig, diese Wut auch körperlich zu spüren, eine entsprechende Ausdrucksform zu finden und sie objektbezogen richten zu können.
In der weiteren Entwicklung konnte sie auch Wut und Ärger auf ihre Mutter zulassen, ihr wurde bewusst, dass sie von ihr als Bündnispartnerin instrumentalisiert worden war. Ihr gegenüber entwickelte sie mehr Abgrenzung und Autonomie. Ihr wurde auch zunehmend bewusst, dass sie von ihrer Mutter idealisiert worden war, da sie das Leben führte, was sich die Mutter eigentlich gewünscht hatte. Aber auch sie hatte ihre Mutter in ihrer Kindheit idealisiert. Im Unterschied zum Vater war sie für sie früher nur die Gute, während sie jetzt lernte, auch ihre Schattenseiten zu sehen.
In Form von Introjekten hatte sie den Mechanismus der Idealisierung und der Abwertung verinnerlicht und vor allem in ihren nahen Beziehungen angewandt.
Mit Hilfe von „emotionaler Ausdrucksarbeit“ konnte sie auch Gefühle wie Trauer, Schmerz, Einsamkeit und Bedürftigkeit zulassen. Zu dieser Gruppe körperpsychotherapeutischer Interventionen gehören Übungen und Techniken zur Förderung des emotionalen Ausdrucks. Dazu gehören bioenergetische, biodynamische, vegetotherapeutische Übungen. Röhricht (2000) hat eine Vielzahl effektiver körperpsychotherapeutischer Techniken aus dieser Gruppe zusammen gestellt.
In diesem Kontext spielt die Atemarbeit eine besondere Rolle. In der Regel wird die flache Atmung zur Gefühlsunterdrückung eingesetzt. Durch vielfältige Atemtechniken, bei denen sowohl auf die Ein- als auch auf die Ausatmung fokussiert werden kann, kann eine Emotionalisierung der PatientIn befördert werden.
Nach jeder Körperübung erfolgt eine verbale Aufarbeitung, um sowohl das emotional Erlebte auch kognitiv zu erfassen, als auch Muster und Mechanismus erkennen und eine biografische Zuordnung vornehmen zu können.
Doch nun zurück zu dem Fallbeispiel, um es verkürzt zu sagen, konnte Bettina mit meiner therapeutischen Unterstützung herausarbeiten, dass sie sich auf Grund ihrer kindlichen Erfahrungen mit ihrem demütigenden Vater als Opfer erlebt hatte. Zunächst als Opfer ihres Vaters, auf den sie ohnmächtig wütend war und den sie als Kind gehasst hatte, dann als Opfer ihres Freundes, der sie verlassen hatte. In ihrer massiven Selbstwertkrise bewertete sie das Verlassenwerden als ihr Versagen. Als Konsequenz bestrafte sie sich selbst, indem sie sich massiv abwertete – bis hin zum Suizidversuch – und nicht mehr leben wollte. Ihre narzisstische Omnipotenz äußerte sich in der Illusion:“ ich schaffe es schon, wenn ich es nur will und fest daran glaube. Ich gewinne ihn zurück.“ Dabei konnte sie den Anderen, ihren Freund und seine Verletzungen nicht sehen und sein Nein und seine Abgrenzung nicht akzeptieren. Sie schämte sich auch, dass sie es nicht geschafft hatte, die Trennung zu verhindern.
Durch die Realitätskonfrontation und empathische Konfrontationen in der Therapie wurde ihr aber auch schrittweise ihr eigener Anteil an der Beziehungskrise bewusst. In der Phase ihrer ersten Verliebtheit hatte sie eine mehrwöchige, bereits länger geplante Auslandsreise mit einem guten Freund unternommen, obwohl ihr damaliger Partner sie gebeten hatte, die Reise nicht zu unternehmen bzw. zu verkürzen. Sie hatte sie trotzdem gemacht, weil sie z.T. unbewusst das Beziehungskonzept hatte, auch in intimen Beziehungen möglichst autonom zu bleiben und die Überzeugung zu pflegen, dass sich die Männer nach ihren Bedürfnissen zu richten hätten. Diese starke Betonung ihrer Autonomie hatte sie von ihrer Mutter übernommen, die ihr einerseits dazu riet und andererseits in ihrer Ehe selbst ein schlechtes Vorbild war, da sie sich von ihrem Mann abhängig gemacht hatte.
In der Endphase der Therapie, als sich ihr Selbstwertgefühl wieder mehr stabilisiert und sie die Trennung verarbeitet hatte, lernte sie ihren neuen Partner kennen, mit dem sie zusammen zog und dann ein Kind bekam. Als Lehre aus der gescheiterten Beziehung hat sie sich stärker eingelassen. Die Widersprüche zwischen ihnen versuchen sie offen auszutragen und eine Art Streit- und Widerspruchskultur in ihrer Beziehung zu entwickeln. Sie verfällt phasenweise noch in abgeschwächter Form in ihr Muster der Idealisierung und der Abwertung, doch es ist ihr bewusster und sie hat Alternativen dazu entwickelt. Mit Hilfe der Therapie war sie auch in der Lage, ihre Beziehung zu ihren Eltern zu entspannen, dass sie auch ihrem Vater erwachsen gegenüber treten kann. Ihren kindlich bedingten Hass hat sie weitgehend verarbeitet, doch zu ihrem Vater hält sie eine freundliche Distanz.
Sie entwickelte Selbsthumor, sah sich selbstkritischer und ein deutlich gewachsenes Selbstwertgefühl.
Bettinas starke Aggressionshemmung war Ausdruck ihres unterentwickeltes affekt-motorisches Schemata (s. Downing, 1996, S 191 ff.) Sie hatte für Wut kaum motorische Ausdrucksformen. Das Erlernen von aggressiven Bewegungen z.B. das Drücken waren produktiv, um dieses unterentwickelte Schema wieder zu aktivieren. In ihrer Geschichte war
das Familiensystem so gestaltet, dass sie einem ständigen Druck ausgesetzt war, das affekt-motorische Schema für Wut im gehemmten Zustand zu belassen.
Durch die wiederholte Aktivierung dieses Schemas in der Therapie z.B. durch die körperorientierten Rollenspiele wird auch ein neurophysiologischer Prozess in Gang gesetzt, bei dem neue synaptische Verbindungen hergestellt werden. Übungen und Wiederholungen spielen eine wichtige Rolle, damit diese neuen Verbindungen vertieft, verstärkt und automatisiert werden. Nach den neuen neurobiologischen Erkenntnissen der Alexithymieforschung (Damasio, 2000), ist das Gehirn des Alexithymen nicht in der Lage, die Körpersignale in Verbindung mit Gefühlen zu bringen. Die Fähigkeit muss – auch mit Hilfe von Körperübungen- neu gelernt werden. Die Körpersignale, die z.B. durch bioenergetische oder biodynamische Übungen entstehen können wie z.B. Anspannung, Wärme, Vibration, Entspannung u.a. werden schrittweise mit Gefühlen in Verbindung gebracht. Dieser Transformationsprozess führt auch zu synaptischen Verbindungen mit den Gefühlsregionen wie der Amygdala im Gehirn.
Die Vielfalt der körperpsychotherapeutischen Interventionen lässt sich, wie am Fallbeispiel veranschaulicht, in vier Gruppen unterteilen:
1.) Biodynamische Massagen: sie regen die Selbstregulation an und aktivieren den Emotional-vasomotorischen Zyklus. Diese Form der systematischen körperlichen Berührung kann narzisstische Klienten mit ihren abgespaltenen bzw. verdrängten Gefühlen und ihrem Selbst in Kontakt bringen und unbewusstes, dynamisches Material freisetzen.
2.) Emotionale Ausdrucksarbeit: körperpsychotherapeutische Übungen und Techniken aus den verschiedenen Richtungen der Körperpsychotherapie wie: Vegetotherapie nach Reich, Bioenergetik, Biodynamik, Core-Energetik, Biosynthese, Hakomi u.a. zur Förderung des gehemmten emotionalen und somatischen Ausdrucks.
3.) Formen des „Holdings“ oder „Containments“: diese Interventionen geben dem Klienten Halt und verhelfen ihm/ihr dazu, die eigenen Gefühle zu halten, von ihnen nicht überflutet zu werden. Es hat häufig nachnährenden Charakter.
4.) Körperorientierte Rollenspiele: biografisch bedingte Grundkonflikte und Konflikte können reinszeniert und lösungsorientiert ausgedrückt werden. Dabei spielt die körperliche Interaktion und Ausdruck eine wichtige Rolle.
Diese Interventionsgruppen wurden in einer kleinen qualitativen, empirischen Studie untersucht und ihre Wirksamkeit bei narzisstischen Störungen überprüft (s. Stehle, Körber, 2002 S. 144 ff.)

Mit ihren vielfältigen Interventionsmöglichkeiten auf der nonverbalen und somato -psychischen verfügt die Körperpsychotherapie nicht nur über ein hochwirksames Instrumentarium, sondern auch über einen wichtigen Vorsprung gegenüber Psychotherapieverfahren, die primär verbal arbeiten. Gerade auch bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen und – problemen ist ein körperorientiertes psychotherapeutisches Vorgehen sehr erfolgversprechend.

 

Fußnote: 1) Der Artikel ist die überarbeitete Fassung meines Eröffnungsvortrages auf der 9.GBP-Fachtagung zu dem Thema „Trauma & Kränkung. Schicksal und Entwicklungschance“ am 1.10.2004 in Schermau. Er basiert inhaltlich z.T. auf den Artikeln: „ Narzissmus – Körperpsychotherapie zwischen Beziehungs- und Energiearbeit.“ (Thielen, Manfred, Hrsg., Narzissmus. Körperpsychotherapie zwischen Energie und Beziehung, Berlin 2002, S. 7 –26) und auf dem Artikel „Körperpsychotherapie bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen“, der voraussichtlich im Januar 2006 in: Marlock, Gustl, Weiss, Halko, Handbuch der Körperpsychotherapie. Schattauer-Verlag erscheinen wird. Hier erfolgt eine systematische und historische Abhandlung der Thematik.
2.) Der Name wurde vom Autor natürlich verändert .

Copyright beim Autor. Der Artikel ist im Journal der Gesellschaft für Biodynamische

Psychologie/Körperpsychotherapie (GBP e.V.), 10 Jahre GBP e.V:, Trauma und Kränkung.
Beiträge der 9.Fachtagung der GBP e.V. in Schermau 1.-3.10.2004.


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